Stefan Heiligtag

Dave Eggers – The Circle

Ein hellsichtiger, beklemmender Pageturner über eine Zukunft, die bald eintreten könnte.

Klappentext

Huxleys schöne neue Welt reloaded: Die 24-jährige Mae Holland ist überglücklich. Sie hat einen Job ergattert in der hippsten Firma der Welt, beim »Circle«, einem freundlichen Internetkonzern mit Sitz in Kalifornien, der die Geschäftsfelder von Google, Apple, Facebook und Twitter geschluckt hat, indem er alle Kunden mit einer einzigen Internetidentität ausstattet, über die einfach alles abgewickelt werden kann. Mit dem Wegfall der Anonymität im Netz – so ein Ziel der »weisen drei Männer«, die den Konzern leiten – wird die Welt eine bessere. Mae stürzt sich voller Begeisterung in diese schöne neue Welt mit ihren lichtdurchfluteten Büros und High-Class-Restaurants, wo Sterne-Köche kostenlose Mahlzeiten für die Mitarbeiter kreieren, wo internationale Popstars Gratis-Konzerte geben und fast jeden Abend coole Partys gefeiert werden. Sie wird zur Vorzeigemitarbeiterin und treibt den Wahn, alles müsse transparent sein, auf die Spitze. Doch eine Begegnung mit einem mysteriösen Kollegen ändert alles …

 

Meine Meinung

Das Erschreckende an diesem Roman ist die Erkenntnis, dass diese Dystopie in nicht allzu ferner Zukunft tatsächlich stattfinden könnte. Schon jetzt wissen Konzerne wie Google, Apple und Facebook eine Menge über uns und nutzen diese Informationen für ihre Geschäfte. Wie weit sind wir davon entfernt, uns überwachen zu lassen?

“The Circle“ vereint die Geschäftsmodelle von Firmen wie Google und Facebook, dadurch, dass Mitgründer und Programmierer Tyler Lafitte eine Plattform entwickelt, die es seinen Nutzern ermöglicht, ihre Benutzerprofile, E-Mails und Online-Konten zu einer einzigen Online-Identität zusammenzuführen. Das Unternehmen nennt diese Identität „TruYou“. Sie  hat für den Nutzer den Vorteil, sein Leben enorm zu vereinfachen und bequemer zu machen. Natürlich weiß man irgendwie, dass die Firma dadurch über eine enorme Informationsmacht verfügt, aber für den Einzelnen hat es  keine Nachteile und da das Unternehmen  nach außen überaus sozial auftritt, sieht niemand darin eine Gefahr.

Auch Mae Holland, die Hauptfigur des Romans, hat ein TruYou-Konto, über das sie alle ihre sozialen Aktivitäten und ihre Einkäufe abwickelt. Sie hält Leute für antiquiert, die das auf die herkömmliche Weise tun, weil sie ihre Privatsphäre durch  „The Circle“ bedroht sehen. Als ihre Freundin Annie, die eine hohe Position beim Circle innehat, Mae hilft, in die Firma aufgenommen zu werden, ist Mae überglücklich. Ihre Chefs sind überaus freundlich, und nach Dienstschluss werden fast jeden Tag Partys gefeiert. Die Einrichtung und die Verpflegung ähneln der eines Luxushotels. Auch bietet ihr die Firma an, sich um ihren an Multipler Sklerose erkrankten Vater zu kümmern, dessen Behandlungskosten sie übernimmt. 

Trotzdem ist Mae zunächst irritiert, dass ihre Vorgesetzten sie drängen, an den eigentlich freiwilligen sozialen Aktivitäten teilzunehmen und auch ihre Aktivitäten außerhalb des Circle mit der Community zu teilen, indem sie sie als Live-Videos hochlädt. Sie fragt sich, warum sie anderen zeigen soll, wie es ihrem Vater geht oder wenn sie mit dem Kajak auf einem nahegelegenen See unterwegs ist, um zu entspannen.

Ihre Einstellung ändert sich, als der  Vorstandsvorsitzende des „Circle“, Eamon Bailey, auf einer Fimenpräsentation das Projekt SeeChange vorstellt. Das ist eine murmelgroße Kamera, die mit Hilfe einer drahtlosen Satellitenverbindung ununterbrochen eigene Videostreams ins Netz senden kann. Seine Vision ist die allumfassende Transparenz, die dadurch entstünde, wenn jeder Mensch SeeChange rund um die Uhr nutzen würde. Wenn das geschähe, würde die Welt ein besserer Ort werden, weil alle Verbrechen sofort öffentlich würden. Weder Diebe noch Mörder, noch Tyrannen hätten eine Chance.

Im weiteren Verlauf erleben wir, wie Mae ihre Einstellung zu dieser Art von umfassender Transparenz verändert. Sie lässt sich auf SeeChange ein und entscheidet sich am Ende für die vollkommene Transparenz. Sie wird zum Gesicht des „Circle“, weil jedermann weltweit sie über SeeChange rund um die Uhr beobachten kann.

Die Thematik des Buches halte ich für enorm wichtig, weil große Teile dessen, was in dem Roman angesprochen sind, bereits Realität ist. Fast jeder  von uns gibt Internetfirmen seine Daten, damit er eine Dienstleistung kostenlos nutzen kann. Niemand weiß, wie sich die damit verbundene Gefahr der Überwachung weiterentwickeln wird. Länder wie Chinasind auf dem besten Weg dorthin, aber auch in den westlichen Demokratien ist nicht auszuschließen, dass diese Überwachung unabhängig von der Regierungsform stattfinden könnte.

Es ist spannend mitzuverfolgen, wie Mae den Einflüsterungen von Eamon Bailey erliegt, was drastische Auswirkungen auf ihre Familie und Freunde hat. Bis zum Schluss bleibt unklar, wie weit Mae und wie weit der Konzern gehen werden. Ich will an dieser Stelle nicht zu viel verraten, weise aber darauf hin, dass das Buch und der gleichnamige Film aus dem Jahr 2017 unterschiedlich enden.

Zum Schluss möchte ich noch zwei Punkte erwähnen, die mir nicht so gut gefallen haben. Mit dem ersten, der vergleichsweise einfachen Sprache, kann ich gut leben. Der Inhalt interessierte mich weitaus mehr, als eine abwechslungsreiche, eloquente Sprache und prickelnde Dialoge. Schwerwiegender wiegt die Tatsache, dass die meisten Figuren flach gezeichnet sind. Das trifft in einem gewissen Maße auch auf die Hauptfigur Mae zu, die zumindest nicht sonderlich reflektiert damit umgeht, was um sie herum geschieht.  

Fazit

„Der Circle“ ist ein Thriller das  wichtige Thema „Informationsmacht und Überwachung durch Internetgiganten“. Durch die Augen von Mae Holland erleben wir, wie verführerisch es ist, sich darauf einzulassen und wie schwer die daraus entstehenden Folgen abzuschätzen sind.

                                                              5 von 7 Punkten.

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