Klappentext
In einem futuristisch brutalen Tokyo der fernen Gegenwart tobt ein Datenkrieg zwischen dem „System“ der Kalkulatoren und einer Datenmafia, der „Fabrik“ der Semioten. Ein genialer und greiser Professor hat durch ein sicheres Codierverfahren im Unterbewusstsein allen Datendiebstahl unmöglich gemacht. Der Held und Ich-Erzähler in „Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt“ überlebt die Bearbeitung seines Gehirns, aber nach einem Überfall auf das unterirdische Geheimlabor des Professors ist der implantierte „Psychokern“ wie eine Bombe im Hirn nicht mehr beherrschbar.
Meine Meinung
Hard boiled Wonderland und Das Ende der Welt von Haruki Murakami ist eines dieser Bücher, die man entweder mag oder nicht. Es verlangt den Leserinnen und Lesern eine hohe Konzentration ab, vor allem, wenn es um Manipulationen am Gehirn und Datenverschlüsselungen geht. Außerdem müssen wir die Bereitschaft aufbringen, uns auf die beiden Welten einzulassen, von denen die beiden namenlosen Ich-Erzähler uns abwechselnd erzählen. Diese Geschichten spielen an zwei völlig verschiedenen Orten beziehungsweise Welten. Wie sie zusammenhängen, stellt eines der vielen Rätsel dar, die es zu lösen gibt. Doch dazu später mehr.
Die erste Welt ist ein dystopisches Tokyo der Zukunft, in dem das „System“ und die „Fabrik“ um die Datenhoheit kämpfen. Der namenlose Ich-Erzähler arbeitet als Kalkulator für das „System“, und seine Aufgabe besteht darin, sensible Daten sicher zu verschlüsseln. Sein neuer Kunde, ein Professor, führt den Ich-Erzähler in das unterirdische Tokyo. Dort gibt es gefährliche „Schwärzlinge“ (keine Menschen, sondern Wesen aus der Unterwelt), die für die „Fabrik“ arbeiten. Sie werden von nun an versuchen, den Ich-Erzähler zu töten, dem der Professor den Auftrag gab, ganz besondere Zahlen zu „waschen“. Dabei nahm er am Gehirn des Kalkulators gewisse Manipulationen vor, dessen Folgen unabsehbar sind.
Auch in der zweiten Welt gibt es einen namenlosen Ich-Erzähler. Es ist eine Welt des Stillstands. Sie besteht im Wesentlichen aus einer Stadt, die von einer gewaltigen Mauer umgeben ist. Die Menschen dort machen einen seltsam leblosen Eindruck. Vielleicht liegt es daran, dass sie alle beim Eintreten in diese Welt ihren Schatten abgeben müssen. Jedenfalls haben sie keine Bedürfnisse mehr und verrichten ihren Alltag in einer gelassenen Routine. Die Aufgabe des Ich-Erzählers besteht darin, in der Bibliothek alte Träume zu lesen, aber nicht aus Büchern, sondern aus den Schädeln von Einhörnern, die vor den Mauern der Stadt grasen.
Diese aberwitzige Handlung wird spannend und oftmals mit viel Humor geschildert. Dabei erleben wir, wie sich die beiden Welten von Kapitel zu Kapitel etwas aufeinander zubewegen. Aber wie hängen sie zusammen? Worum geht es eigentlich in dem Buch?
Ist die seelenlose, von einer Mauer umgebene Welt eine Spiegelung unserer Gesellschaft, in der es vor allem darauf ankommt, zu funktionieren und wo Gefühle nur stören? Oder stellt diese Welt das Nirvana dar, wie es sich der japanische Autor vorstellt? Oder ist diese Stadt nur der Ausdruck jenes Teils der Psyche des Erzählers, die man als das Unbewusste nennt? Wenn dem so wäre, stellte der in Tokyo agierende Ich-Erzähler das Bewusstsein und damit die vermeintliche Realität dar. – Es gibt viele Interpretationsmöglichkeiten, die sich nicht einmal ausschließen müssen.
Was mich beim Lesen stets bei der Stange gehalten hat, ist einmal die spannende Handlung. Zweitens sind es die kunstvollen Beschreibungen und Reflexionen, die die Ich-Erzähler anhand von normalen Alltagsbeobachtungen machen. Man kann das Buch auch als Reflexion darüber verstehen, was nach dem Tod passiert und wie ein ewiges Leben aussehen könnte. Ob der ich-Erzähler das erreicht, bleibt bis zum Schluss offen.
Fazit
Für diejenigen, die Murakamis Art, Geschichten zu erzählen mögen, ist dieses Buch ein Muss. Wegen seines genialen Schreibstils, der spannenden Handlung und seiner ausschweifenden Fabulierlust.