Stefan Heiligtag

Jennifer Benkau – One true Queen: von Sternen gekrönt

Ein wendungsreicher High-Fantasy-Roman, in dem die junge Heldin immer wieder vor der Frage steht, wem sie trauen kann.

Klappentext

Dunkelheit. Das Gefühl, zu fallen. Und dann: nichts. Eben noch stand Mailin in ihrer Heimatstadt, plötzlich wacht sie in einer anderen Welt auf. Im Königreich Lyaskye trachtet ihr alles und jeder nach dem Leben – nur nicht der mysteriöse Fremde, der Mailin aus einer Falle rettet. Der so gefährlich wirkt und sie dennoch beschützt. Und der ihr nicht verrät, wer er in Wahrheit ist. Erst als er sie zum Königshof bringt, erkennt Mailin, dass sie nicht ohne Grund in Lyaskye ist: Sie soll Königin werden. Und das ist in dieser Welt ein Todesurteil.

Meine Meinung

Um es gleich vorwegzunehmen: Der Hauptschwachpunkt dieses High Fantasy-Romans ist für mich das Cover. Mir fällt kein anderes Buch ein, das mir gefallen hat, bei dem das auf dem Cover abgebildete Mädchengesicht derart unpassend war. Jedenfalls konnte ich die mutige, kämpferische, teilweise sarkastische Mailin nicht mit dem Gesicht in Übereinstimmung bringen, aber vielleicht ist das mein persönliches Ding.

Die Geschichte spielt zum überwiegenden Teil in Lyaskye, einem Land mit eigenem Willen, das sich seine Königinnen aus der „normalen“ Welt holt. Dies geschieht auch der 17jährigen Ich-Erzählerin Mailin, die mit ihrer Mutter zusammenlebt – und mit ihrer im Wachkoma liegenden Schwester, die sie über alles liebt. Nach dem Kampfsportunterricht erwacht sie an einem der gefährlichsten Orte in Lyaskye.

Im »gierigen Wald‹ wird sie sofort von einer Horde pelziger Tiere mit spitzen Zähnen verfolgt und flüchtet sich auf einen Baum, der sie erwürgen will, und Mailin kämpft mit aller Kraft um ihr Leben.

Die Beschreibung von Kampfszenen und von konfliktbeladenen Dialogen sind eine der Stärken von Jennifer Benkau. Ich gebe hier einen Auszug von Mailins Kampf gegen den Baum wider, der aber deutlich länger dauert.

Mein Kopf zuckt herum – und ich traue meinen Augen nicht.

Ein paar dicht bewachsene Zweige nähern sich meiner Schulter.

Sie nähern sich meiner Schulter?

Dieser Baum … bewegt sich.

Schon liegen seine Blätter wie große Hände auf mir. Ich zerre an dem Ast, muss das Grün regelrecht von meiner Haut kratzen, denn die Blätter kleben daran. Dünne, aber zähe Zweige greifen nach meinem Handgelenk und Ellbogen und pressen mir den Arm unnachgiebig vor die Brust, während ich verzweifelt – und erfolglos – versuche, mich zu befreien. Ein anderes Astende umfasst meine Hand, quetscht mir die Finger zusammen. Aus dem fleischigen Innern der Blätter kommt eine klebrige Flüssigkeit, die auf meiner aut brennt.

Dieser Baum ist eine gottverdammte fleischfressende Pflanze! 

Die Panik kocht in mir hoch Ich wimmere bloß noch, aus meinen Befreiungsversuchen ist ein sinnloses Gezappel geworden. Es muss ein Traum sein. »Aufwachen!« Ich will mich anschreien, aber es kommt bloß ein Keuchen. »Wach auf, wach auf, du träumst nur, du träumst!«

»Tust du nicht.« Die Stimme ist dunkel. Es ist ein Mann, der da unten steht und zusieht. »Du träumst nicht.«

Mailins muss weiterkämpfen, denn der Mann, der ihr versichert, dass sie nicht träumt, will ihr nicht helfen. Er tut es später dann doch und lässt sich von Mailin überreden, sie in die Hauptstadt zu führen, wo sie die besten Chancen hat, einen Weltenspringer zu finden, der sie in ihre irische Heimat zurückbringt.

Es ist vor allem die Beziehung zwischen Mailin und diesem düsteren Typen, die den Roman für mich spannend machten und es mir ermöglichten, mich darauf einzulassen, dass Lyaskye scheinbar wahllos Mädchen entführen lässt, damit sie dort zur Königin gekrönt werden. Ich hoffe, dass diese Willkür im zweiten und dritten Band der Reihe aufgelöst wird, weil ich sie für eine der wenigen Schwachstellen des Romans halte.

Die Beziehung zwischen Mailin und Peter, der sich später Josh und noch später Liam nennt, ist vielfältigen Wandlungen unterworfen. Direkt zu Beginn erklärt er ihr, er sei ein Lügner und sie könne nie darauf vertrauen, dass er ihr die Wahrheit sagt

Im Buch gibt es viele Szenen, wie den von mir etwas gekürzten Dialog. Ob Liam die Wahrheit sagt, wird sich erst im weiteren Verlauf des Romans erweisen.

»Was machst du, wenn du nicht durch Wälder reist?«, frage ich. …

»Ich bin Hirte«, sagt er und ein Lächeln klingt in den Worten mit.

»Ach ja? Was hütest du denn? Schafe? Ziegen?

»Säbelhörner.«

»Und was sind … Säbelhörner?« …

»Säbelhörner sehen Pferden ähnlich, nur sind sie sicher einen Meter größer, haben ein gebogenes Horn auf der Nase und ernähren sich anders.«

»Aha. Wovon denn?«

»Überwiegend von deinen pelzigen kleinen Freunden. Aber sie fressen auch Kaninchen, Füchse, das eine oder andere junge Wildschwein oder eine Nachtkatze, wenn sie eine erwischen.«

Riesige gehörnte Raubtierpferde. … »Und die hütest du? Damit sie nicht von gigantischen Wölfen gefrühstückt werden oder damit die Säbelhörner die Menschen nicht frühstücken?« …

Er lacht leise. »Vielleicht beides. Manchmal dressiere ich sie.« Ein amüsierter Unterton färbt seine Stimme und lässt mich ziemlich sicher glauben, dass er meine Ahnungslosigkeit ausnutzt, um mich zu verspotten. Ich würde darauf wetten, dass man Säbelhörner gar nicht dressieren kann.

»Schön«, erwidere ich unbeeindruckt. »Ich mag große Tiere. Ich reite auf einem Wasserbüffel zu Schule, wenn der Elefant mal zu müde ist.«

Neben den gepfefferten Dialogen haben mir auch die vielen überraschenden Wendungen der Geschichte gefallen. Dass ich 6 statt 7 Punkte gebe, liegt (neben dem Cover) vor allem am letzten Sechstel des Buches, in dem ein verrückter Plan in die Tat umgesetzt wird, der einfach unglaubwürdig ist. Schade, weil man den Schluss sicher ähnlich spannend, aber halbwegs logisch hätte gestalten können. Trotzdem gebe ich eine starke Leseempfehlung und freue mich auf Band 2 und 3.

Fazit

One true Queen von Jennifer Benkau ist ein High-Fantasy-Roman mit vielen überraschenden Wendungen, der seine Spannung vor allem daraus zieht, wem die mutige Heldin Mailin trauen kann: ihrer Schwester, dem Mann, in den sie sich verliebt hat, oder vielleicht niemandem, außer sich selbst.

                                                                  6 von 7.

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