Klappentext
Frisch aus den Katakomben entlassen will Hackerin Krys Vej vor allem eines: ihre Ruhe und einen möglichst legalen Job. Das versucht sie auch dem Kampfandroiden klarzumachen, der in ihre Wohnung einbricht und ein Gefühlsupgrade verlangt.
Leider weiß ihr unerwünschter Auftraggeber etwas zu viel über ihre Vergangenheit. Und so beginnt für Krys eine Reise, die zu den dunklen Flecken ihrer Familiengeschichte führt, und nicht nur ihr eigenes Leben in Gefahr bringt …
Meine Meinung
Die Erde im Jahr 2062 ist in diesem schmissigen Science Fiction kein Zuckerschlecken. Der Klimawandel führte dazu, dass es in Fucity nur noch 34 Sonnensekunden pro Monat gibt. Weltweit herrscht Korruption, Nahrungsmittel müssen aus Afrika nach Europa transportiert werden, und die National Data Security (NDS) sorgt mit Überwachungssendern, einem Heer von Agenten, Drohnen, Überwachungskameras, und Kampfandroiden dafür, dass es einer winzigen Minderheit gut geht und der großen Masse schlecht.
Was nach schwerem Lesestoff klingt, erweist sich ab der ersten Seite als eine gut geschriebene, durchweg spannende Geschichte mit viel Witz, geschliffenen Dialogen und Actionszenen.
Hauptfigur des ist die Hackerin und Ich-Erzählerin Krysalis (Krys), die nach der Haftentlassung aus den Katakomben seit drei Monaten in einer heruntergekommenen Wohnung in Fucity wohnt. Den Überwachungstracker hat sie entsorgt.
Kapitel 1 beginnt damit, dass Krys eine lange Hackernacht hinter sich gebracht hat, um die diesjährige Hackerchallenge zu gewinnen. Da steht frühmorgens ein Kampfandroide vor ihrer Tür, ein Omicron Alpha Attack, ein Modell, das in den Diensten der NDS steht.
Die nachfolgende Szene gibt euch einen Eindruck vom Erzählton der Ich-Erzählerin:
Stolz hatte ich mit mir selbst noch eine Flasche Algenschnaps getrunken. Was gut ist, wenn morgens um sieben ein ausdruckslos blickender Kampfandroide deine Tür einschlägt und ein Gefühlsupgrade verlangt.
»Sofort«, erklärte er blechern.
Ein Stimmmodul-Update wäre vielleicht auch keine so schlechte Idee.
»Es ist mitten in der Nacht, du hast meine Tür zerstört, und es ist illegal«, zähle ich leicht außer Atem auf. Ich war zwar aus dem Bett, bevor er den zweiten Schritt ins Zimmer machen konnte, aber solche Adrenalinsprünge sind echt nicht gut für den Kreislauf.
»Es ist null siebenhundert, Definition: früher Morgen«, erwidert er. »Ich habe nur geklopft. Und ich brauche das Upgrade.«
Mit jedem Schritt kommt eine gefühlte Tonne künstliche Muskeln und Mechanik auf mich zu. Bei Kampfandroiden sind Granatwerferarme und nette Gimmicks wie Pistolenfinger oder Schnellschussknie serienmäßig inklusive, auch wenn man das unter dem tarnfarbenen Outfit nicht sieht. Ich weiche zurück, bis meine Kniekehlen gegen die Bettkante stoßen. Schön weiteratmen. Zum Glück sind der Schnaps und ich vor zwei Stunden inklusive Jeans und T-Shirt aufs Bett gekippt.
»Illegal«, wiederhole ich, etwas piepsig. »Zehn Jahre Katakomben für mich, wenn du erwischt wirst. Mindestens. Und ein Kampfandroide mit Gefühlsupgrade wird auffallen, garantiert.«
Er bleckt die Zähne. Schwer zu sagen, ob das ein Lächeln oder eine Drohung sein soll.
»Ich weiß, dass du mir helfen kannst, Krysalis Vej, Vorstrafenregister 31612. Fünf Mal verurteilt, achtundsiebzig Monate und drei Tage Katakomben. Trotzdem hast du heute Nacht an der Hackerchallenge teilgenommen. Und gewonnen.«
Ich schlucke. Seine Augen sind himmelblau. Eigentlich ist bei Kampfandroiden Rot die Farbe der Wahl. Hose und Jacke in Tarnfarben sind allerdings Standardausrüstung.
»Bitte.«
Kein Kampfandroide sagt jemals bitte. Wozu auch? Kannst du bitte ein Stück nach links gehen, damit ich dich erschießen kann? Würdest du bitte dein Maschinengewehr/Panzerfaust/Boden-Luft-Rakete fallen lassen?
»Bitte?«, krächze ich ungläubig.
»Ja.« Er ballt die Faust und legt sie an die Stelle, an der sein Herz wäre, wenn er eines hätte. »Ich bin Omicron Alpha 9385832. Ich brauche das Upgrade.«
»Warum? Du bist Warcrafter. Soldat. Mit Gefühlen wärst du untauglich. Ausmusterung. Schrottpresse, Wiederverwertung.«
Schon in dieser ersten Szene lernen wir zwei der drei Hauptfiguren kennen. Interessanterweise bestimmt ein Roboter, worum es in dem Roman geht: Der Omicron will ein Gefühlsupdate.
Krys warnt ihren Hackerpartner Bonecrusher, dass die NDS sie aufgespürt hat und muss feststellen, dass es sich bei diesem um den zwölfjährigen Zacharias (Zac) handelt. Wie Krys ist er ein Hackergenie.
Bis wir erfahren, warum der Androide ein Gefühlsupdate erhalten will, lernen wir noch einen 96jährigen Erfinder und Krys einflussreiche Familie kennen, allen voran ihre Tante Zelda, die reichste Frau der Stadt, die sie zu einem Familientreffen im höchsten Gebäude von Fucity einlädt. Im obersten Stock des 3000 Meter hohen Sonnenturms kann man die Sonne sehen, weil seine Spitze die dichte Wolkendecke durchbricht. Krys hat überhaupt keine Lust, dorthin zu gehen, zumal sie von dem verkleideten Omicron begleitet wird.
Hier ist noch ein Leseausschnitt, der den trockenen Humor der Autorin veranschaulicht:
In der glänzenden Edelstahlverkleidung des Fahrstuhls, der sie in den vierhundertsten Stock fährt, teste ich verschiedene Gesichtsausdrücke. Ernst und gefasst. Sieht nach Beerdigung aus. Glücklich. Unrealistisch. Freundliches Lächeln.
»Hast du Schmerzen?«, fragt Omicron.
»Das ist ein Lächeln, Schraubenhirn. Kannst du keine Gesichtsausdrücke lesen?«
»Mein Interpretationsprogramm deutet auf Schmerzen. Gleicher Ausdruck wie bei angeschossenen Soldaten.«
Ich geb’s auf. Allein der Auftritt in Kapuzenpulli, Kunstfaserjeans und dreckigen Sneakern wird sie von meinem Gesichtsausdruck ablenken.
Es mag dahingestellt sein, ob eine Welt bewohnbar ist, wo in großen Teilen die Sonne nicht mehr den Boden erreicht. Die Ausgangssituation, von der Jo Brode ausgeht, enthält viele Fragezeichen. Der Klimawandel wird sicher nicht ganz angemessen thematisiert. Auch die Machtverhältnisse auf dem Planeten und die Rolle der NDS, die weltweit agiert, jedoch eine nationale Behörde zu sein scheint, ist erklärungsbedürftig. Für mich sind es kleine Mankos, da es in dieser rasanten Zukunftsgeschichte vor allem um Fragen der Künstlichen Intelligenz geht, darum, was den Unterschied zwischen Mensch und Roboter ausmacht und wieso die Menschheit offensichtlich nicht in der Lage ist, aus ihren Fehlern zu lernen.
Für mich ist ›Das Gefühlsupgrade‹ ein rundum lesenswertes Buch, zumal auch die Hintergründe der drei Hauptfiguren gut ausgeleuchtet werden – vor allem der von Krys, deren Familie in vielerlei Hinsicht in den Plot verwickelt ist. Das macht die Figuren nicht nur sympathisch, sondern auch glaubwürdig.
Fazit
Dieser Science Fiction bietet alles, was einen guten Roman auszeichnet: einen rasanten, in sich schlüssigen Plot, spritzige Dialoge, Humor und drei hinreißende Hauptfiguren. Eine absolute Leseempfehlung.