Klappentext
‚Vier Frauen werden brutal ermordet, und als Visitenkarte hinterlässt der Mörder in ihren Gärten einen Schneemann. Harry Hole und seine neue Kollegin Katrine Bratt vermuten bei ihm ein Trauma. Warum sollte er sonst ausgerechnet junge Mütter töten? Eine Fährte nach der anderen erweist sich als falsch. Kurzzeitig verdächtigt Harry sogar die neue Kollegin. Doch dann kommt er dem Geheimnis einer der Frauen auf die Spur und erkennt das Motiv und was auf dem Spiel steht: Längst verfolgt der Mörder Harrys Liebe Rakel. Aus der Verbrecherjagd wird der irrwitzige Kampf um eine Frau. Und erst als Harry sich seine eigene Lebenslüge eingesteht, tritt der Mörder aus dem Schatten. Denn nun steht er seinem entscheidenden Opfer gegenüber: Harry Hole. Jo Nesbøs Kriminalroman Schneemann erzählt eindrucksvoll von der zerstörerischen Macht der Lüge.
Meine Meinung
Im Gegensatz zu vielen anderen Thrillerlesern bin ich kein Fan von Kriminalromanen mit Serienkommissaren. Es gibt Ausnahmen, und eine von ihnen ist die Harry Hole-Reihe von Jo Nesbo.
Warum mir gerade diese Serie gefällt? – Vor allem wegen der Hauptfigur, einem 1,93 Meter großen, blondhaarigen Kommissar, der immer wieder am Abgrund steht, vor allem, wenn ihn der Alkohol im Griff hat. Es liegt aber auch daran, dass jeder einzelne Band der Reihe für sich ein Drama beschreibt, bei dem es um deutlich mehr geht, als um die Aufklärung eines Mordes. Ich glaube, es ist das Existenzielle, weshalb ich hier gerne mitgehe und wozu auch passt, dass Harry eine melancholisch-philosophische Ader hat. Das versetzt ihn in die Lage, sich auch in die schrägsten Verbrecherhirne hineinzuversetzen und ihnen so auf die Schliche zu kommen. Harry ist ein Sturkopf und ein Außenseiter, aber vor allem hat er einen unbestechlichen Gerechtigkeitssinn und den Willen und die Fähigkeiten, Mörder zu überführen. Was mich ebenfalls für ihn einnimmt, ist seine radikale Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Die meisten seiner Schwächen kennt er, und er scheut sich nicht, sie zuzugeben.
Der Grund, warum ich nicht den ersten, sondern den vierten Band der Harry Hole-Reihe bespreche, liegt darin, dass ich den „Schneemann“ für den besten halte. Es geht um einen Serienmörder, der anscheinend nur junge Mütter ermordet und danach am Tatort einen Schneemann baut. Harry und seine neue Kollegin Katrine Bratt kommen zu der Überzeugung, dass ein traumatisches Erlebnis aus der Kindheit den Täter zu den Morden treibt. Im Laufe der Ermittlungen geraten zahlreiche Personen in Verdacht, und es kostet Harry einiges an Ermittlungsarbeit, die Spreu vom Weizen zu trennen und den wahren Täter zu finden.
Eine der großen Stärken Jos Nesbos besteht für mich darin, dass er es durch seine authentische und lebensnahe Figurenzeichnung versteht, allen wichtigen Personen Leben einzuhauchen: indem er sie beschreibt, durch ihre Handlungen und vor allem durch die brillante Dialogführung. Letztere ist pointiert und enthält oftmals auch witzige Elemente. Als Beispiel führe ich die erste Begegnung von Harry mit seiner neuen Kollegin an. Katrine Bratt und er haben gerade eine Besprechung hinter sich, in der über eine vermisste Frau gesprochen wurde. Harry fragt Katrine, ob sie glaube, dass die Frau noch lebt, worauf sie zurückfragt:
»Hältst du mich für blöd? Hast du nicht zugehört? Der Kriminaloberkommissar hat doch gesagt, dass ich vier Jahre bei der Sitte gearbeitet habe.«
»Hm«, machte Harry. »Tot?«
»Wie ein eingelegter Hering«, sagte Katrine Bratt.
Harry nahm den weißen Becher. Plötzlich hatte er das Gefühl, er könnte gerade eine Kollegin bekommen haben, die er schätzen konnte.
Was dem Roman seine große Spannung verleiht, sind die überraschenden Wendungen, die Jo Nesbo in den Plot eingebaut hat. Er versteht es meisterhaft, seine Leser die richtigen Spuren übersehen zu lassen und auf die falschen Spuren hereinzufallen. Gerade das letzte Viertel des Romans ist von atemberaubender Spannung, denn hier werden viele Handlungsstränge zusammengeführt, und die Ereignisse überschlagen sich. Ich bin mir sicher, dass ich nicht der einzige Leser war, den Jo Nesbo an der Nase herumgeführt hat.
Fazit
Jo Nesbo versteht es meisterhaft authentische, lebensechte Figuren zu schaffen und sie in einen atemberaubend spannenden Plot hineinzuführen, bei dem unsere Erwartungen immer wieder unterlaufen werden. Ein meisterhafter Kriminalroman.