Klappentext
Skandia ist das Land der großen Helden, doch der Weg zum Krieger ist schwer. Jungen werden mit 16 Jahren in Bruderschaften unterrichtet und sollen schließlich gegeneinander antreten. Hal, ein junger Schiffsbauer aus Hallasholm wird zum Anführer einer Bande von Jungen berufen, die dasselbe Schicksal teilen wie er: Sie sind Außenseiter in ihrer Heimat – vereint in einem aussichtslos scheinenden, gefährlichen Wettkampf … Können die acht Gefährten gemeinsam gegen ihre Gegner bestehen?
Meine Meinung
„Brotherband“ spielt in derselben Welt wie die Chroniken von Araluen, nur das hier nicht Araluen, sondern das Volk der Nordländer im Vordergrund steht. Ähnlich wie die Wikinger leben sie von Raubzügen, und das Können als Seefahrer, vor allem aber körperliche Stärke und der Umgang mit Waffen genießen hohes Ansehen. Doch der Weg zum Krieger ist schwer. Jungen werden mit 16 Jahren in Bruderschaften unterrichtet, die in einem Wettkampf gegeneinander antreten.
Hal, die Hauptfigur des Romans, hat seine Stärken nur im ersten Bereich, denn er ist ein Denker und Erfinder, Fähigkeiten, die im Wettbewerb, wer in der besten Bruderschaft ist, normalerweise keine große Rolle spielen.
Der Roman beginnt zu einer Zeit, als Hal, 4 Jahre alt ist. Sein Vater stirbt im Kampf und bittet, kurz bevor er stirbt, seinen bester Freund Thorn, sich um seine Familie zu kümmern. Thorn verspricht dies zwar, verliert aber kurz darauf seine recht Hand, was ihn über Jahre hinweg zum Säufer machen wird.
Mir hat dieser Einstieg gut gefallen, weil es John Flanagan dadurch gut gelingt zu zeigen, in welche Welt und Familie Hal, hineingeboren ist. Er ist schon deshalb ein Außenseiter, weil seine Mutter aus Araluen stammt und Nordländer auf fremden Völker herabblicken.
In dem folgenden Auszug ist Hal 10 Jahre alt. Thorn hat 6 Jahre zuvor seine Hand verloren. Er ist an seinem Tiefpunkt angelangt, als Hals Mutter den stinkenden Säufer vor dem Erfrieren bewahrt, indem sie ihn in ihre Küche schafft. Thorn ist nicht bei Bewusstsein, weshalb Karina ihren Sohn bittet, einen Eimer Wasser herzuschaffen. Hal fragt sie, was der verrückte alte Thorn in ihrer Küche macht, woraufhin sich folgende Szene abspielt:
»So alt ist er gar nicht«, sagte Karina …
Hal runzelte die Stirn und musterte den halb bewusstlosen Thorn genauer. »Wirklich? Er sieht aus wie hundert.«
»Ach ja?«, erwiderte sie. Ihr war natürlich bewusst, dass für einen Jungen jeder über fünfundzwanzig alt aussah. Sie legte den Kopf schief und gab ihrer Neugierde nach – wohl wissend, dass das wahrscheinlich ein Fehler war.
»Und wie alt, glaubst du, bin ich?«, fragte sie.
Hal machte eine abwehrende Geste und lächelte sie an.
»Ach du bist noch nicht richtig alt, Mutter«, sagte er beruhigend. »Du bist bestimmt nicht älter als sechzig oder so.«
Karina war achtunddreißig. …
Sie musterte ihren Sohn kühl, und er trat unsicher von einem Fuß auf den anderen. Irgendetwas, was er gesagt hatte, schien ihr missfallen zu haben, aber er wusste nicht, was.
Vielleicht war es ausgerechnet Hals taktlose Bemerkung, die Thorns Schicksal besiegelte. Denn Karina zeigt mit dem Daumen auf den vollen Eimer.
»Er soll es bekommen«, sagte sie.
Hal zögerte und sah von Karina zu Thorn und zum Eimer.
»Soll es bekommen … was denn genau?«, fragte er, denn er wollte sicher sein.
Karina stemmte die Hände in die Hüften. »Das Wasser. Er soll es bekommen … direkt ins Gesicht.« Sie bückte sich und zog den Kragen von Thorns zerfressenem Pelz zur Seite. Wieder versuchte Thorn, ihre Hand wegzuschlagen.
»Aber …«, begann Hal unsicher. Zugegeben, Thorn war alt, schmutzig und abgerissen. Seine rechte Hand fehlte und er war ein Wrack und stolperte im Dorf herum. Dennoch war er ein starker Mann, von dem man wusste, dass er keinen Spaß verstand. Vielleicht war es nicht klug von einer schmalen Frau mit sechzig und ihrem zehnjährigen Sohn, einen solchen Mann mit Wasser zu überschütten – zumindest nicht ohne sich vorher genau überlegt zu haben, wie man dem wütenden Thorn entkam.
Karina tippte ungeduldig mit dem Fuß auf den schneebedeckten Boden. Hal wusste, das war kein gutes Zeichen. Sie deutete wieder auf den Eimer.
»Mach schon.«
Hal zuckte mit den Schultern und nahm den vollen Eimer auf.
»Jetzt.«
Und er tat es.
Sobald der erste Schwall ihn traf, erwachte Thorn mit einem Röhren. Er klang wie das wütende Walross, das Hal im letzten Sommer gehört hatte – wenngleich Thorn das Walross an Lautstärke bei Weitem übertraf. Thorn versuchte sich aufzusetzen, und er ruderte mit den Armen, um sein Gleichgewicht wiederzufinden.
Karina bemerkte, dass der Eimer immer noch zu einem Drittel gefüllt war.
»Und den Rest auch noch«, befahl sie. Gehorsam goss Hal das verbliebene Wasser aus.
Wenn jemand wie ein verwundetes Walross klingt, liegt es nahe, das er dabei den Mund aufsperrt. Thorns Mund stand jedenfalls offen, als er die verbliebenen vier Liter Wasser abbekam.
Das Röhren verwandelte sich in ein Luftschnappen und Husten, als das Wasser seine Kehle hinunter rann. Er hustete und würgte und drehte sich zur Seite, als fürchte er einen Schwung Wasser. Aber der Eimer war leer.
Thorn öffnete die Augen, sie waren trübe und blutunterlaufen. Er blinzelte ins helle Morgenlicht, das vom Schnee reflektiert wurde, und sah zwei schmale Gestalten vor sich.
Hal, der immer noch den leeren Eimer hielt, versuchte, vergeblich, ihn zu verbergen.
»Du hast den Eimer über mich geschüttet«, knurrte Thorn. »Warum hast du das gemacht?«
»Weil ich es ihm gesagt habe«, antwortete Karina. In ihrer Stimme schwang ein Ton, der keine weiteren Fragen zuließ.
An diesem Morgen wird Karina Thorn dazu bringen, ihr zu helfen, die Gastwirtschaft am Laufen zu halten, die sie betreibt. Für Hal wird dies ein Segen sein, weil Thorn sein Mentor sein wird.
In ähnlich anschaulichen Szenen lernen wir die Stadt Hallasholm und deren Oberjarl Erak kennen sowie die vielen weiteren Personen des Romans. Dabei hatte ich nie Schwierigkeiten zu wissen, wer wer ist, was zeigt, wie versiert John Flanagan als Autor ist. Das zeigt sich auch daran, wie er nebenbei eine ganze Menge Seemannshandwerk in die Geschichte einfließen lässt, was niemals störend ist.
Der große Reiz der Reihe besteht in der sorgfältigen Auswahl der sieben Gefährten, die zusammen mit Hal die dritte Bruderschaft bilden. Sie alle sind Außenseiter, die von den Anführern der beiden anderen Bruderschaften verschmäht wurden.
Der Großteil des Buches handelt davon, wie sich Hals Bruderschaft gegen die beiden anderen Bruderschaften schlägt, deren Anführer sich die besten Kämpfer ausgewählt haben. Einer von ihnen, der arrogante Turgud, hasst Hal und greift immer wieder zu unfairen Mitteln, um zu gewinnen. Das Buch ist durchweg spannend und ein echter Pageturner, und zum Schluss gibt es noch einen Cliffhanger, der Lust auf Band 2 macht.
Fazit
„Die Bruderschaft von Skandia“ hat alles, was junge Leser sich wünschen: einen klugen Helden, coole Freunde und einen gebrochenen Mentor mit überraschenden Fähigkeiten. Das Buch ist durchgehend spannend, weil man an jeder Stelle wissen will, wie es weitergeht.

