Klappentext
Dem kriminellen Wunderkind Kaz Brekker bietet sich die Chance zu einem tödlichen Raubzug: Er soll in den Eishof einbrechen – eine noch nie zuvor eroberte Militärfestung – und eine Geisel befreien, deren Wissen die Grisha-Magie für immer verändern könnte. Ein Erfolg würde ihn unermesslich reich machen – doch allein schafft er es nicht …
Ein Sträfling mit Rachedurst.
Ein Scharfschütze, der keine Wette ablehnen kann.
Ein Ausreißer mit einer privilegierten Vergangenheit.
Eine Spionin, bekannt als der Geist.
Eine Herzensbrecherin, die ihre Magie nutzt, um in den Slums zu überleben.
Eine Diebin mit einem Talent für unwahrscheinliche Fluchten.
Sechs gefährliche Außenseiter. Ein unmöglicher Raubzug. Gemeinsam sind sie vielleicht unaufhaltsam – wenn sie sich nicht vorher gegenseitig umbringen
Meine Meinung
6 of crows (Das Lied der Krähen) spielt in einer Fantasy Welt voller Gefahren und moralischer Grauzonen, in denen magisch begabte Wesen von den jeweiligen Herrschern unterdrückt werden. Im Land Kerch geschieht dies vor allem durch reiche Kaufleute, die sich der Staatsmacht bedienen, um ihre Ziele zu erreichen oder auf eine der vielen Gangs zurückgreifen, wenn kriminelle Energie vonnöten ist.
Anführer einer dieser Gangs ist der 17jährige Kaz Brekker. Dieser hat verwegene junge Außenseiter um sich geschart, die über die unterschiedlichsten Fähigkeiten und Talente verfügen. Da ist der spielsüchtige Jesper, der ein Meisterschütze ist und über weitere Talente verfügt, die er nicht weitergibt. Da ist Inej, die Meisterdiebin und Akrobatin, die in ganz Kerch unter dem Namen „Der Geist“ bekannt ist. Neu hinzu stoßen die Soldatinnen-Grisha Nina, die über einer starke magische Begabung verfügt, und der Grisha-Jäger Matthias, der einer Elitetruppe angehörte, die Grishas jagt.
Der sechste im Bunde ist Wylan, der Sohn des Kaufmanns, der Kaz damit beauftragt, einen mysteriösen Gefangenen aus der streng bewachten Eisdornfestung zu befreien. Angesichts der gewaltigen Sicherheitsvorkehrungen scheint das Unterfangen unmöglich. Kaz lässt sich dennoch darauf ein, weil er dafür mit unermesslichem Reichtum belohnt werden soll und seinen „Krähen“ vertraut, dass sie es unter seiner Führung schaffen können.
Der erste Band der Dilogie überzeugt durch eine komplexe, wendungsreiche Geschichte und die interessanten Charaktere, die ihre Konflikte miteinander austragen. Fünf der sechs Hauptfiguren sind zugleich Perspektivfiguren, die kapitelweise wechseln. Es ist eine schriftstellerische Meisterleistung, wie Bardugo es schafft, die komplexen Lebenshintergründe seiner Hauptfiguren in die Geschichte einzubauen, ohne dass es die Handlung stört. Dabei ist es stets spannend, zu verfolgen, wie sich die Beziehungen untereinander verändern und weiterentwickeln.
Der folgende Textausschnitt gibt dazu ein Beispiel. Inej, die „Akrobatin“ der 6 crows, hat die Truppe aus einem Hinterhalt gerettet, indem sie sich den Feinden unbemerkt von hinten näherte und ihre Mitkämpfern so die Flucht ermöglichte. Dabei wurde sie selbst lebensgefährlich verletzt. Kaz schafft es gerade noch, sie auf ihr Schiff, die Ferolind, zu bringen. Nina, die erst neu zu Kaz‘ Truppe hinzugestoßen ist, schafft es mit ihren Grisha-Kräften, Inejs Leben zu retten. Die Szene beginnt, als Inej aufwacht. Ihr Verhältnis zu Nina, aber auch das zu Kaz, stehen im Mittelpunkt der Szene.
Alles tat weh. Und warum bewegte sich der Raum?
Inej erwachte langsam, ihre Gedanken waren wirr. Sie erinnerte sich an Oomens Messerstich, daran, wie sie die Kisten hochkletterte, an die Rufe der Leute, während sie an ihren Fingerspitzen baumelte. »Komm runter, Wraith.« Aber Kaz war zurückgekehrt, um sie zu holen, um seine Investition zu retten. Sie mussten es auf die Ferolind geschafft haben.
Sie versuchte sich umzudrehen, aber der Schmerz war zu stark, also drehte sie nur den Kopf. Nina döste auf einem Hocker in der Ecke neben dem Tisch, Inejs Hand locker in ihrer.
»Nina«, krächzte sie. Ihre Kehle fühlte sich an, als wäre sie mit Wolle bedeckt.
Nina schreckte hoch. »Ich bin wach!«, platzte sie heraus und sah Inej benommen an. »Du bist wach.« Sie setzte sich aufrechter hin. »Oh mein Gott, du bist wach!«
Und dann brach Nina in Tränen aus.
Inej versuchte sich aufzusetzen, konnte aber kaum den Kopf heben.
»Nein, nein«, sagte Nina. »Versuch nicht, dich zu bewegen, ruh dich einfach aus.«
»Alles in Ordnung?«
Nina fing an, unter Tränen zu lachen. »Mir geht’s gut. Du bist diejenige, die erstochen wurde. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Es ist einfach so viel leichter, Menschen zu töten, als sich um sie zu kümmern.«
Inej blinzelte, und dann fingen beide an zu lachen. »Ouuuuu«, stöhnte Inej. »Bring mich nicht zum Lachen. Das fühlt sich furchtbar an.«
Nina zuckte zusammen. »Wie fühlst du dich?«
»Gut, aber nicht furchtbar. Durstig.«
Nina bot ihr einen Blechbecher mit kaltem Wasser an. »Es ist frisch. Gestern haben wir geregnet.«
Inej nippte vorsichtig und ließ Nina den Kopf hochhalten. »Wie lange war ich weg?«
»Drei Tage, fast vier.« … Sie stand abrupt auf. »Ich muss Kaz sagen, dass du wach bist! Wir dachten –«
»Warte«, sagte Inej und griff nach Ninas Hand. »Können wir es ihm nicht gleich sagen?«
Nina setzte sich wieder hin, ihr Gesicht verzog sich. »Klar, aber –«
»Nur für heute Nacht.« Sie hielt inne. »Ist es schon Nacht?«
»Ja. Genauer gesagt kurz nach Mitternacht.«
»Wissen wir, wer uns am Hafen verfolgt hat?«
»Pekka Rollins. Er hat die Schwarzspitzen und die Klingenmöwen angeheuert, um uns daran zu hindern, den Hafen zu verlassen.« … »Kaz hatte Angst um dich.«
»Kaz hat vor nichts Angst.«
»Du hättest sein Gesicht sehen sollen, als er dich zu mir brachte.«
»Ich bin eine sehr wertvolle Investition.«
Ninas Kinnlade klappte herunter. »Sag mir, dass er das nicht gesagt hat.«
»Natürlich hat er das. Na ja, nicht der wertvolle Teil.«
»Dieser Idiot.«
Während sich die sechs Helden der Eisdornfestung nähern und in sie eindringen, enthüllt Bardugo immer mehr Details, die klarmachen, warum die Beziehungen zwischen den Figuren sind, wie sie sind. Der Texausschnitt deutet an, dass die Beziehung zwischen Kaz und Inej mehr ist oder sein könnte, als die zwischen Chef und Mitarbeiterin. Noch extreme verhält es sich bei der Grisha Nina und Matthias, dem ehemaligen Grisha-Jäger. In „6 of Crows“ geht es um Freundschaft und Liebe, Rache, aber vor allem um Selbstfindung der noch jungen Figuren. Ich bin sehr gespannt, wie sich das alles in Band 2 auflösen wird.
Ganz kurz möchte ich auf die kleinen Mankos des Buches eingehen, von denen das erste tatsächlich minimal ist: die Namen Nina und Matthias. Sie passen einfach nicht in die Geschichte, und es wäre leicht gewesen, passendere, fremdere Namen für sie zu finden. Das zweite Manko ist das unglaublich junge Alter der Protagonisten, das einfach unglaubwürdig ist. Wenn man bedenkt, was die Figuren alles erlebt haben und welche unglaublichen Fähigkeiten sie besitzen, sind sie mit 16 und 17 Jahren viel zu jung – nur Nina und Matthias sind ein paar Jahre älter. Das ist vor allem bei dem 17jährigen Kaz, der die Truppe anführt, völlig unglaubwürdig. Wahrscheinlich soll das Buch auch die Zielgruppe jugendlicher Leser erreichen, aber das wäre sicher auch der Fall, wenn die Personen zwanzig oder 21 Jahre alt wären
Fazit
Die Geschichte entfaltet mit ihrem komplexen Beziehungsgefüge, den Themen wie Verrat, Freundschaft und Liebe und der Action einen unglaublichen Sog, zumal alle Charakter mit ihren eigenen Dämonen zu kämpfen haben. Eine unbedingte Leseempfehlung.