Stefan Heiligtag

Sebastian Stuertz – Da wo sonst das Gehirn ist

Ein unglaublich lustiger Coming of Age-Roman, bei dem mich vor allem die traurigen Momente berührten, die seine 17jährige Heldin durchlebt.

Klappentext

Hamburg, Sommer 2019. Alina ist neu an ihrer Schule, aber trotzdem gleich das coole Nerdgirl, denn sie hat eine eigene App programmiert: ein Mini-Social-Network nur für die 13. Klasse. Hätte ein perfekter Einstieg sein können – wäre ihre Mutter nicht gleich nach dem ersten Elternabend mit Herrn Carstensen im Bett gelandet, dem Vater des idiotischen Klassensprechers Corvin. Noch blöder, dass Alina und ihre Mutter, die als Berufs-Clown ihr Geld verdient, kurz darauf aus ihrer WG fliegen. Bei Dad ist kein Platz für sie, der hat noch drei andere Kinder und keine Lust, sich auch noch um Alina zu kümmern. Also muss sie mit Mama bei den Carstensens einziehen, was vollkommener Irrsinn ist: Bei Corvin wohnen Spinnen und Riesentausendfüßler, seine Schwester Nina hat eine zweite Identität, und dann gibt es noch ein weiteres, dunkles Familiengeheimnis, das bald schon alles auf den Kopf stellen wird. 

Meine Meinung

Ich gebe zu, dass mich vor allem das Cover und der Titel neugierig auf diesen Jugendroman gemacht haben. Zu meinem Erstaunen wurden meine Erwartungen übertroffen.

Das Buch wird zum großen Teil aus der personalen Perspektive der 17-jährigen Alina erzählt, die ihr letztes Schuljahr an einer Privatschule beginnt, weil sie an der alten Schule gemobbt wurde. Sie geht mit einer guten Portion Vorsicht auf ihre neuen Mitschüler zu und hat wider Erwarten einen guten Einstieg in die neue Klasse.

Die zweite Perspektivfigur kommt nur kurz vor, und das ist meiner Ansicht nach auch gut so, denn sie hat mich ganz schön aus dem Lesefluss gerissen. Es ist einer der wenigen Punkte, die mir an „Dort wo sonst das Gehirn ist“ nicht gut gefallen haben.

Weshalb ich das Buch dennoch uneingeschränkt empfehle, ist der wunderbar leichte Stil von Sebastian Stuertz, mit der er uns AlinasWelt erleben lässt. In vielen Facetten erleben wir, mit welchen Herausforderungen Alana in ihrem Alltag klarkommen muss: in ihrer Familie, im Hinblick auf ihre Freundschaften und die Liebe, und auch das Thema „Mobbing“ spielt eine Rolle. Der Hauptfokus liegt sicher auf den ganzen Facetten rund um die Familie: wir erleben Alinas Konflikte mit ihren Eltern und die Herausforderungen des Zusammenlebens in einer Patchwork-Familie. Dem Autor gelingt es, dies einerseits mit viel Witz und Leichtigkeit zu erzählen und andererseits auch die dunklen, traurigen Gefühle und die enorme Wut darzustellen, die Alina nicht selten übermannt. Ich konnte mich immer wunderbar in Alina einfühlen, egal, in welcher Gefühlslage sie sich befand.

Am besten haben mir die lustigen Szenen gefallen, von denen ich hier eine mal in wörtlicher Rede wiedergebe, um den Humor zu veranschaulichen. Alina steht gerade im Treppenhaus vor ihrer Mietwohnung und hat festgestellt, dass ihr Schlüssel nicht passt. Nachdem sie mehrmals versucht hatte, ihre Mutter anzurufen, meldet diese sich schließlich zurück, und es kommt zu folgendem Dialog:

»Wie, dein Schlüssel passt nicht mehr?« (sagt die Mutter)

»Ey, was könnte ich meinen mit: ›Mein Schlüssel passt nicht mehr

»Passt nicht ins Schloss?«

»Passt nicht ins Schloss.«

»Der Schlüssel? DEIN Schlüssel. In unser Schloss? Passt nicht?«

Wie kann man nur so gestörte Fragen stellen?

»Oh Mama, warte, er passt doch, ich war nur zu doof, den richtigen Schlüssel auszuwählen, ich habe aus Versehen den Schraubenschlüssel genommen, ich DUMMERLE!«

Alina ist richtig genervt, und das weiß jetzt wahrscheinlich sogar Frau Gerdes im Erdgeschoss.

»Jetzt schrei doch nicht schon wieder, Lini. Wie … wie kann das denn sein? Dass der Schlüssel plötzlich nicht mehr passt?«

»Weiß auch nicht, ich glaub, ich ruf mal meine Mutter an und frag die!«

Zur Handlung will ich nur so viel sagen, dass es kaum vorhersehbar ist, in welche Richtung sie sich weiterentwickelt. Es ist auf jeden Fall spannend.

Ein kleines Manko sind die Figurenzeichnungen von einigen Erwachsenen. So hat mir das ganze Verhältnis zwischen Alinas Mutter und Corvins Vater und deren Umgang miteinander nicht eingeleuchtet. Es ist aber ein vergleichsweise kleines Manko, weil die jugendlichen Charaktere sehr gut gezeichnet waren und ich die von ihnen benutzte Jugendsprache absolut authentisch und lebensnah fand. 

Fazit

Sebastian Stuertz hat einen unglaublich lustigen Roman geschrieben, in dem seine 17jährige Heldin Alina eine Achterbahnfahrt ins Erwachsenenleben vollzieht. Es ist ein Buch, das nicht nur Jugendlichen, sondern auch ihren Eltern gefallen dürfte.

                                                          5 von 7 Punkten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere Beiträge