Klappentext
Ein Eliteinternat. Eine eingeschworene Clique.
Ein tödliches Spiel. Das Stipendium am renommierten Eliteinternat Santa Clara scheint für die 17-jährige Verena die Chance ihres Lebens zu sein. Doch der Traum verwandelt sich bald in einen Albtraum, denn hinter der perfekten Fassade lauern Machtspiele und perfide Intrigen. Ihre neuen Freunde haben ein dunkles Geheimnis, und ehe Verena begreift, was geschieht, ist sie Teil eines Spiels, das keine Regeln kennt.
Zwanzig Jahre später folgt Leonie den Spuren von Verenas Vergangenheit. Als Kindermädchen bei einer einflussreichen Wiener Familie kennt sie nur ein Ziel: die Wahrheit ans Licht zu bringen. Denn die Schatten von damals reichen bis in die Gegenwart – und das gefährliche Spiel, das damals begann, geht in die nächste Runde.
Meine Meinung
Im Buchhandel wird das Buch als Psychothriller beworben und das ist der Roman „Wahrheit oder Pflicht“ von Sophie Edenberg definitiv. Aufgrund des Hintergrunds „Internat“ und weil alle Hauptfiguren Heranwachsende sind (zumindest in einer Zeitebene), habe ich mich entschlossen, es dem New Adult-Genre zuzuordnen.
Die beiden Hauptfiguren und Ich-Erzählerinnen sind die 19-jährige Leonie im Jahr 2025 und Verena, die aufgrund eines Stipendiums als 17-jährige im Jahr 2005 an ein Eliteinternat kommt. Beide haben ihre Eltern verloren und mussten in ihrem bisherigen Leben viel kämpfen. Während bei Verena klar ist, dass sie Santa Clara als einmalige Chance begreift, aus ihren ärmlichen Verhältnissen herauszukommen, weiß man über Leonies Intention zunächst nur, dass sie einen Mord aufklären will, der 20 Jahre zurückliegt.
Beide Erzählstränge wechseln sich ab, sodass wir nach und nach die Zusammenhänge zwischen ihnen begreifen. Leonie führt eine Recherche durch, bei der sie ihre Hackerfähigkeiten nutzt und sich bei einem Paar, das zu Verenas Zeiten auf das Eliteinternat ging, als Kindermädchen einschleicht. Der Wechsel zwischen den Zeitebenen funktioniert gut, weil beide Handlungsebenen spannend sind und sich aufeinander beziehen.
Um euch einen Eindruck vom Schreibstil der Autorin zu geben, habe ich die Stelle gewählt, als Verena die Clique trifft, mit der sie in Santa Clara die meiste Zeit zusammenhängen wird. Ihre Zimmernachbarin Cornelia stellt sie Stefanie, einer gestylten blonden Schönheit und Michael vor, die beim Frühstück sitzen. Letzterer ist freundlich zu Verena, Stephanie verhält sich herablassend. Als Michael und Verena sich über ihre Leidenschaft ›Literatur‹ unterhalten, unterbricht sie deren Gespräch mit der Frage, welchen Sport sie wählen will.
»Welchen Sport?«, wiederholte Verena, etwas überrumpelt von dem abrupten Themenwechsel.
»Natürlich«, sagte Stefanie und zog eine Augenbraue hoch, als ob Verena schwer von Begriff wäre. »Sport ist an der Santa Clara Pflicht. Aaron und Ludo sind im Fußballteam, sie sind richtig gut. Michael ist in der Laufmannschaft. Die meisten Mädchen wählen Badminton oder Volleyball. Oder machen Ballett, so wie ich.«
»Hm, das habe ich mir noch nicht überlegt.« Verena wandte sich an Cornelia. »Welche Sportart machst du denn?«
»Früher habe ich Ballett gemacht, aber dann …«
»Hat sie letztes Jahr hingeschmissen«, fiel Stefanie ihr ins Wort. »Kluge Entscheidung, wenn ihr mich fragt. Niemand will diese Schenkel in einem Tutu sehen. Nichts für ungut, Conny.«
Eine peinliche Stille trat ein, während Cornelia knallrot anlief und sich diskret den Rock über die Knie zog. Michael stocherte auf seinem Teller herum und Verena spürte, wie sich ihre Magen vor Wut zusammenzog. Stefanies Kommentar war einfach nur gemein. Dabei war ihre Mitbewohnerin gar nicht übergewichtig – vielleicht etwas kurviger, aber alles an den richtigen Stellen. Atemlos wartete sie darauf, dass Cornelia irgendeinen schlagfertigen Konter vom Stapel ließ, doch die zuckte nur betont gleichgültig mit den Schultern.
»Volleyball passt ohnehin viel besser zu mir.«
»Sag ich doch!«, sagte Stefanie und tätschelte ihrer Freundin gönnerhaft das Bein.
»Ähm … also, ich habe mich jedenfalls noch nicht entschieden«, warf Verena ein, um die Anspannung am Tisch zu entschärften. »Aber ich jogge ganz gerne. Vielleicht mach ich das hier auch.«
Michael nickte zustimmend. »Das ist eine gute Idee. (…) Komm doch einfach mal vorbei und mach mit.«
»Sehr schön.« Stefanie warf die Haare in den Nacken und lächelte schmallippig. »Apropos Sportskanone: Hast du eigentlich endlich mit Aaron gesprochen, Cornelia?«
»Seit Juni, meinst du?«
»Nein, seit der Steinzeit.« Stefanie verdrehte die Augen. »Ludo und er waren in den letzten Wochen in Cannes im Haus von Ludos Eltern. Ich war sie dort besuchen – was du wüsstest, wenn du einen meiner Anrufe angenommen hättest.« Sie schüttelte den Kopf. »Im Ernst, Conny, ihr beide müsst das klären. Sonst bringt ihr noch die ganze Gruppendynamik durcheinander.«
Cornelia öffnete den Mund, doch bevor sie etwas erwidern konnte, erklang eine tiefe Stimme hinter ihnen.
»Oh, gut, ihr habt mir einen Platz freigehalten.«
Neugierig drehte Verena sich um und sah einen großgewachsenen Jungen mit einer Kaffeetasse in der Hand an ihrem Tisch stehen. Er hatte auffallend grüne Augen und breite Schultern. Sein rötliches Haar war noch leicht feucht, als hätte er eben erst geduscht.
»Hi, Leute. Was geht?«, sagte er und schwang lässig ein Bein über die Bank, um sich neben Stefanie niederzulassen. Im Augenwinkel bemerkte Verena, wie sich Cornelias Körperhaltung versteifte.
»Na, wen haben wir denn da?«, fragte er, als er Verena erblickte.
»Das ist Verena Martins«, verkündete Stefanie, bevor Verena auch nur ein Wort herausbringen konnte. »Du weißt schon – das neueste Sozialprojekt unseres Rektors. Sie hat letztes Jahr den Young Writers Award gewonnen und dafür ein Stipendium bekommen.«
»Verena ist meine Mitbewohnerin«, warf Cornelia leise ein, ohne den großgewachsenen Jungen anzusehen.
»Schön, dich kennenzulernen, Verena.« Er grinste breit, streckte ihr die Hand und entgegen und entblößte eine Reihe ebenmäßig weißer Zähne. »Ich bin Aaron.«
»Danke, gleichfalls«, murmelte Verena, während ihr die Röte ins Gesicht stieg. Stefanies herablassende Art ging ihr allmählich gehörig auf die Nerven. Meine Güte, wie hielten Michael und Cornelia es bloß mit ihr aus?
Es gibt ein Hierarchiegefälle in der Gruppe, aber den Platzhirsch wird Verena erst später kennenlernen: Es ist Stefanies Freund Ludo.
Der Textausschnitt zeigt, dass es die Autorin gut versteht, die einzelnen Personen zu charakterisieren. Das betrifft nicht nur die beiden Hauptfiguren, sondern auch die wichtigen Nebenfiguren. Deren Beziehungen, Charaktereigenschaften und Beweggründe waren für mich immer gut nachvollziehbar.
Neben den Themen „Lügen, dunkle Geheimnisse, Gerechtigkeit und Verrat“ geht es in dem Roman auch um die Gier nach Macht und Machtstrukturen, die dies ermöglichen. Dass der Handlungsstrang von Verena in einem Eliteinternat stattfindet, spielt eine wichtige Rolle im Roman, da die Machtstrukturen innerhalb der Clique und wie nachher mit den Konsequenzen umgegangen wird, auch die Internatsleitung einbezieht.
Dass das Buch durchweg spannend ist, liegt daran, dass auf beiden Zeitebenen interessante, teilweise überraschende Wendungen stattfinden, bis sie zum Schluss auf ein fulminantes Ende zusteuern.
Fazit
Dieser New Adult Psychothriller ist gut geschrieben und durchweg spannend. Mit beiden Hauptfiguren konnte ich mich gut identifizieren, weil beide nicht aufgeben in ihrem erbitterten Kampf um Gerechtigkeit.