Stefan Heiligtag

The Inheritance Games – Jennifer Lynn Barnes

50 Milliarden Dollar – Eine unbekannte Erbin – Vier mörderische Nachkommen.

Klappentext

Avery Grambs hat einen Plan: Highschool überleben, Stipendium abgreifen und dann – nichts wie raus hier. Doch all das ist Geschichte, als der Multimilliardär Tobias Hawthorne stirbt und Avery fast sein gesamtes Vermögen hinterlässt. Der Haken daran? Avery hat keine Ahnung, wer der Mann war.
Um ihr Erbe anzutreten, muss Avery in das gigantische Hawthorne House einziehen, wo jeder Raum von der Liebe des alten Mannes zu Rätseln und Geheimnissen zeugt. Ungünstigerweise beherbergt es aber auch dessen gerade frisch enterbte Familie. Allen voran die vier Hawthorne-Enkelsöhne: faszinierend, attraktiv und gefährlich.
Gefangen in dieser schillernden Welt aus Reichtum und Privilegien, muss Avery sich auf ein Spiel aus Intrige und Kalkül einlassen, wenn sie überleben will.

Meine Meinung

Ich kann den Hype um diese Trilogie gut nachvollziehen, denn die Geschichte verspricht Spannung, Rätselraten und jede Menge Überraschungen. Denn die junge Heldin Avery ist Alleinerbin des 50 Milliarden-Dollar-Vermögens eines Mannes, den sie gar nicht kennt: Tobias Hawthorne. Außerdem will mindestens einer der Erben sie umbringen.

Der Romaneinstieg beginnt schwungvoll und hat mich sofort für Avery eingenommen, als Highschool-Direktor Altman sie in sein Büro ruft.

Er verschränkte die Hände auf dem Schreibtisch zwischen uns. »Ich nehme an, du weißt, warum du hier bist.«

Falls es hier gerade nicht um die wöchentlichen Pokerpartien ging, die ich auf dem Schülerparkplatz veranstaltete, um Harrys Frühstücksmahlzeiten zu finanzieren – und manchmal auch mein –, hatte ich keine Ahnung, was ich wohl getan haben könnte, um die Aufmerksamkeit der Schulleitung auf mich zu ziehen. »Verzeihung«, sagte ich, wobei ich mir Mühe gab, hinreichend unterwürfig zu klingen, »aber nein, ich weiß es nicht.«

Direktor Altman ließ mich eine Weile so mit meiner Antwort sitzen, bevor er mir einen Stapel Blätter vorlegte. »Das ist der Physiktest, den du gestern geschrieben hast.«

»Okay«, sagte ich. Das war nicht die Antwort, auf die er aus war, aber mehr hatte ich nicht zu bieten. Zur Abwechslung hatte ich tatsächlich für den Test gelernt. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich so mies abgeschnitten hatte, dass es ein Krisengespräch verdiente.

»Mr Yates hat die Klausuren benotet, Avery. Deine hat als einzige die volle Punktzahl erreicht.«

»Super«, sagte ich, wobei ich es bewusst vermied, ein weiteres Okay von mir zu geben.

»Eben nicht super, junge Dame. Mr. Yates konzipiert absichtlich Prüfungsaufgaben, welche die Fähigkeiten seiner Schüler herausfordern. In zwanzig Jahren hat er nie die volle Punktzahl vergeben. Siehst du das Problem?«

Ich konnte mir meine instinktive Antwort nicht verkneifen. »Ein Lehrer, der Prüfungen so anlegt, dass die meisten seiner Schüler nicht bestehen können?«

Mr Altman verengte die Augen zu Schlitzen. »Du bist eine gute Schülerin, Avery. Ziemlich gut sogar, wenn man die Umstände bedenkt. Aber du bist nicht unbedingt dafür bekannt, Spitzenleistungen abzuliefern.«

Das war nur fair – warum also fühlte es sich an, als hätte er mir in den Magen geboxt?

Zur Abwechslung hatte ich, statt auszuloten, wie knapp ich kalkulieren sollte, sehen wollen, wie weit ich gehen konnte.

Und das bekam ich nun für all die Anstrengung – denn Mädchen wie ich schnitten in unmöglichen Klausuren nicht spitzenmäßig ab. …

»Jetzt.«

Mr Altman starrte mich verdutzt an. »Entschuldigung, wie bitte?«

Pfeif auf unterwürfig klingen. Pfeif auf unsichtbar sein. »Ich möchte die Prüfung hier wiederholen, in ihrem Büro, genau jetzt.«

Diese ersten achtzig Seiten bieten absolute Spitzenklasse an Witz und Dramatik. Bis dahin habe ich das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Jennifer Lynn Barnes schafft es hervorragend, Averys schwierige Situation nach dem Tod ihrer Mutter darzustellen. Als Teenagerin kam sie zu ihrer liebenswerten, sieben Jahre älteren Schwester Libby, die sich leider emotional an einen brutalen Wüstling gehängt hat, der Avery aus der Wohnung vertreiben will.

Ebenso gut gelingt es der Autorin, uns die Familie des Multimilliardärs plastisch  vorzustellen, bevor das Testament verlesen wird. Dazu gehören sowohl die beiden Töchter von Tobias Hawthorne als auch die vier Enkelsöhne, die alle auf ihre Weise faszinierend und unwiderstehlich sind. Da ist Grayson, der sich schon mit 19 Jahren wie ein Anwalt verhält, den 26jährigen Nash, der rumläuft wie ein Cowboy und der sich als einziger der Brüder weder für das Geld noch für die Spiele seines Großvaters interessiert. Da ist der jüngste Enkel, Alexander, ein brillanter Erfinder und der 18jährige Jameson, der Extremsportler und ein fanatischer Spieler ist.

Danach geht es deutlich ruhiger weiter. Jennifer L. Barnes gelingt es bei der Vielzahl der Personen gut, deren  Beziehungen untereinander darzustellen und glaubhaft zu machen. Das Buch ist gut geschrieben, was vor allem für die oft spritzigen und witzigen Dialoge gilt. Außerdem schafft sie es, dass wir Leser bei dem komplexen Familienbaum die Übersicht behalten, denn die Rätsel haben viel mit der Familiengeschichte der Hawthornes zu tun.

Dass ich dem Buch trotzdem nur 5 von 7 Punkten gebe, liegt daran, dass die Spannung nach den ersten hundert Seiten deutlich nachlässt.

Zwar löst die Autorin ihr Versprechen ein, eine Vielzahl von Rätsel zu stellen, aber die im Klappentext als ›gefährlich‹ angepriesenen Enkelsöhne des Milliardärs sind nicht wirklich gefährlich für Avery nicht. Sie erweisen sich als interessante Persönlichkeiten, und sie helfen Avery. Das führt  dazu, dass viele geniale Personen gemeinsam Rätsel lösen, was für mich auf Dauer etwas langweilig war. Es herrscht zu viel Einheitsbrei: Alle Hauptfiguren sind zwischen 17 und 26 Jahre alt, alle sind auf ihre Weise genial und alle liegen, was ihre Schönheit angeht auf einer Skala von null bis hundert im oberen Fünftel, manche bei 99 Punkten.

Ein Problem ist die weitestgehend geringe Fallhöhe des Romans. Generell hatte ich nie wirklich das Gefühl, dass Avery wirklich gefährdet ist, getötet zu werden oder ihr Vermögen zu verlieren. Eigentlich sitzt Avery mit ihrem 50 Milliarden-Dollar-Vermögen im gemachten Nest. Und was den Mordanschlag angeht: Mir hat es nicht wirklich eingeleuchtet, warum jemand Avery umbringen wollen sollte, wenn die Person nichts davon hat.

Fazit

Das Buch ist so gut geschrieben und birgt so viele Geheimnisse und und Fragen, wie es mit Avery weitergeht, dass ich den zweiten Band der Trilogie ganz sicher lesen werde. Leser, die Spaß am Rätselraten haben, werden den Roman lieben.

                                       

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