Klappentext
Die alleinerziehende Mutter Vivi Vincent findet sich mitten in ihrem schlimmsten Albtraum wieder, als sie zusammen mit ihrem achtjährigen Sohn während eines Terroranschlags in einem Einkaufszentrum festgehalten wird. Mit Hilfe von Jed Brennan, einem Agenten des FBI in Zwangsurlaub, überleben Vivi und ihr Sohn den Anschlag. Aber die Gefahr für die beiden ist noch lange nicht vorbei.
Womöglich hat Vivis Sohn wesentliche Informationen über die weiteren Pläne der Terroristen mitangehört und soll nun von ihnen beseitigt werden. Aber der Junge ist stumm und traumatisiert. Zudem wird das Haus, in dem das FBI die beiden untergebracht hat, attackiert, und Jed befürchtet, dass die Attentäter einen Spitzel beim FBI haben. Jed weiß nicht mehr, wem er noch vertrauen kann. Er versteckt Mutter und Sohn in einer abgelegenen Hütte mitten in den Wisconsin Northwoods. Dort versuchen Jed und Vivi einen Weg zu finden, um an die Informationen in Michaels Kopf zu gelangen.
Sie sind weder auf die feurige Begierde gefasst, die zwischen ihnen entflammt, noch auf die finsteren Machenschaften, die nicht nur ihre Aussicht auf ein glückliches Leben miteinander bedrohen, sondern auch die Grundfesten der amerikanischen Gesellschaft erschüttern könnten.
Meine Meinung
Der Einstieg ist super spannend, doch bevor der Terror losgeht, lernen wir im ersten Kapitel Vivi und ihren achtjährigen Sohn Michael kennen, die über einen Jahrmarkt gehen. In jeder Zeile wird deutlich, wie sehr sie ihren stummen, traumatisierten Sohn liebt, dem sie gerade erlaubt hat, sich in einem Spielzeuggeschäft etwas auszusuchen, das ihm gefällt.
Die erste Begegnung zwischen den beiden Hauptfiguren findet vor diesem Geschäft statt, weil Vivi von einem Rüpel umgerannt wurde und Jed ihr beim Aufstehen hilft. Toni Anderson beschreibt diese Szene wie folgt:
Sie kniete sich ungelenk hin, vorsichtig ihr Handgelenk haltend, das vom Aufprall schmerzte.
»Brauchen Sie Hilfe?« Ein Mann ging neben ihr in die Hocke. Er hatte kurze, schwarze Haare und tiefe, braune Augen, die bei genauerem Hinsehen verschmitzt funkelten. Seine starken, kräftigen Hände hielten ihren unverletzten Arm, während er ihr wieder auf die Füße half.
»Vielen Dank.«
Sie hielt sich an ihm fest, um ihr Gleichgewicht zu halten, als sie in ihren Schuh schlüpfte. Er hatte eine gerade Nase, eine kräftige Unterlippe und ein Grübchen am Kinn. Seine dunklen Augen musterten sie kritisch, als ob er sie nach Verletzungen absuchte. Dann änderte sich sein Blick und wurde weich, voller ehrlicher Anerkennung. Sie ließ seine Hand los, und ihre Knie schwankten. Sie gab den hohen Absätzen die Schuld, die sie so selten trug.
Wieder hallten die freudigen Schreie der Achterbahnfahrer herüber und rissen sie aus ihrer Schwärmerei.
»Nochmals vielen Dank. Ich sollte jetzt besser nach meinem Sohn sehen.« Sie nickte in Richtung des Spielwarenladens. Sie hatte sich daran gewöhnt, Michael automatisch als Schutzschild zu nutzen, und diese Angewohnheit fing an, ihr auf die Nerven zu gehen. Vielleicht würde sie irgendwann die Vertrauensprobleme, die ihr Ex in ihr ausgelöst hatte, überwinden können.
Vielleicht.
Irgendwann.
»Viel Erfolg dabei, ihn da wieder raus zu locken.« Der schöne Fremde hielt eine Tüte mit dem auffälligen Logo des Ladens in die Höhe. Es passte nicht zu seiner smarten Business-Kleidung – ein schwarzer Anzug, blaues Hemd, violette Krawatte. Wie sich jemand gab, ließ eine Menge Rückschlüsse über die Person zu. Seine Körperhaltung wies auf eine Militärkarriere hin, vielleicht auch eine Position in der Strafverfolgung. …
»Ich habe mich gerade ausgetobt und dem Kind eines Freundes etwas gekauft.« … Er trat einen Schritt zurück. »Wenn Sie sicher sind, dass alles okay ist?«
Sie nickte und er lächelte sie an. Dann ging er langsam davon.
Vivi blinzelte. Es war lange her, dass ein Man sie angesehen hatte, als ob sie mehr wäre als nur eine entnervte alleinerziehende Mutter über dreißig. Das Gefühl, eine Frau aus Fleisch und Blut zu sein, überkam sie, und ließt etwas in ihr aufleben, von dem sie nicht mehr gedacht hatte, dass es noch existierte.
In dieser Szene erfahren wir eine Menge über Vivi, aber auch über den ›schönen Fremden‹, der ihr aufgeholfen hat. Sie wird ihn während des nachfolgenden Anschlags noch deutlich besser kennenlernen, weil er ihr und ihrem Sohn helfen wird, sich zu retten.
Beide Hauptfiguren sind sympathisch, und beide haben ihre Gründe, warum sie Beziehungen generell skeptisch gegenüberstehen. Wir erleben im Slowburn-Tempo, wie sie ihre Vorbehalte, während sie sich näherkommen, nach und nach über Bord werfen, wobei mir zum Schluss hin Jebs Verhalten nicht mehr ganz eingeleuchtet hat.
Es gibt noch eine dritte Perspektivfigur. Mit Pilah erhält einer der Terroristen ein Gesicht, und Toni Anderson schafft es, dass wir bis zu einem gewissen Grad mit ihr mitfühlen, denn Pilah beteiligt sich nur deshalb an dem Anschlag, weil es die einzige Möglichkeit ist, ihre Töchter zu retten. Ihre Gewissensbisse sind ebenso nachvollziehbar wie die Tatsache, dass sie letztlich alle Befehle ausführt, die ihr erteilt werden. Außerdem erfahren wir über sie viel über die Hintergründe des Terroranschlags, der nur der Auftakt zu einem viel größeren Aktion ist.
Außer der Beziehung zwischen Vivi und Jed geht es in der Geschichte vor allem darum, dass die Terroristen Jagd auf Michael machen, der ein Gespräch belauscht hat, bei dem es um die weitergehenden Ziele der Auftraggeber des Anschlags ging. Die Spannung ist durchgehend hoch, weil die Terroristen Vivi, Michael und Jeb immer wieder dazu zwingen, den Ort zu wechseln. Diese werden anschaulich geschildert, und die Atmosphäre der verschiedenen Stationen wird gut eingefangen. Das FBI stellt sich stümperhaft an, weil Vivi und Michael in ihrem Safe House, sofort aufgespürt werden. Jed bringt sie schließlich an einen Ort bringt, den nur er kennt, was nicht unbedingt realistisch, dafür aber spannend ist und somit nur ein kleines Manko.. Ich kenne aus vergleichbaren Romance Thrillern deutlich größere Logikbrüche.
Gut gefallen hat mir an „Kalte Jagd“, wie Jed Brennan Zugang zu dem stummen, traumatisierten Michael findet. Dieser hat schon längere Zeit nichts gegessen, was Vivi große Sorgen bereitet. Im Safe House kommt es zu folgender Szene:
Die Matratze sank an der Stelle ein Stück ein, an der der FBI-Agent auf dem Bett saß.
»Na, was treibst du, Sportsfreund? Heute schon irgendwelche bösen Jungs erwischt?«
Die Spur eines Lächelns huschte über Michaels Gesicht, dann schüttelte er kaum merklich den Kopf. Vivi blinzelte. Aus irgendeinem Grund konnte ihr Sohn zu diesem Mann eine Verbindung herstellen. Es war richtig gewesen, dass sie ihn bei dem Treffen mit dem kalten, berechnenden CIA-Mann dabeihaben wollte.
»Ich habe Dir richtig tolle Sachen mitgebracht, aber erst musst Du Dein Frühstück essen. Los geht’s.« Brennan schüttelte Kissen auf, dann setzte er Michael aufrecht ihn Bett auf. Er reichte ihm zuerst die warme Milch, und als ihr Sohn einen vorsichtigen Schluck trank, hielt Vivi die Luft an. Endlich. »Und jetzt den hier.« Brennan biss in eine Scheibe Toast. »Und dann zeige ich Dir, was ich mitgebracht habe.«
Brennan begann, die Sachen aus der Plastiktüte zu ziehen, während nun Michael in den Toast biss. Die ruhige Art und das Fehlen jeglichen Aufsehens des Mannes um Michaels Verhalten funktionierten wirklich. Vivi waren sogar die Krümel im Bett egal, solange ihr Sohn nur aß.
Brennan reichte Michael eines seiner liebsten Bücher. Eine Enzyklopädie. Und einen Almanach. Michaels liebte Sachbücher, aber Brennan hatte dennoch auch ein paar Pokémon-Stickerbögen und Alben mitgebracht. Ihr hielt er ein Heft mit extra schweren Sudokus hin, aber Vivi schüttelte schnell den Kopf und Nichte in Michaels Richtung. Brennan kam für keine Sekunde aus dem Konzept. »Ist das hier Dein Fall, Mikey? Für mich ist das einfach zu hoch.«
Ihre Augen weiteten sich, als sie den Spitznamen hörte. Seine Freunde in der Schule nannten ihn so. Michael nahm das Heft und strich den glänzenden Einband. In seinen Augen leuchtete jetzt weit mehr als nur ein Funke Leben. Er liebte Mathe-Rätsel. Zum ersten Mal seit 24 Stunden grinste er sie an, und sie lächelte zurück. Sie war so bewegt, dass sie Angst hatte, ihr Herz würde zerspringen. Brennan dunkle Augen sahen sie an, auch er lächelte, wodurch sein Gesicht nicht mehr nur attraktiv war, er war nun geradezu lächerlich gut aussehend.
Das warf sie um. Die Schmetterlinge in ihrem Bauch flogen nun regelrecht Kamikazemanöver in Körperteilen, die seit Jahren im Tiefschlaf gelegen hatten. Die unglaubliche Dankbarkeit, die sie ihm schon jetzt entgegenbrachte, verwandelte sich nun in etwas noch viel Stärkeres, viel Tieferes, das sich als eine unfassbar starke Anziehung zu ihm äußerte.
Zum Schluss haben mir einige Details nicht eingeleuchtet, zum Beispiel die plötzliche Freundlichkeit von Michaels Vater, aber das sind Kleinigkeiten, die das Leseerlebnis nicht trübten.
Fazit
Der spannende, wendungsreiche Plot und die knisternde Spannung, die sich langsam zwischen den beiden Hauptfiguren aufbaut, machen diesen gut geschriebenen Roman zu einem Lesevergnügen für alle Liebhaber von Romance Thrillern. Nicht umsonst ist Toni Anderson eine Gewinnerin des National Excellence in Romance Fiction Awards.

