Klappentext
Nach zwölf langen Jahren im Kerker des Aurorakönigs hat Lor nur ein Ziel: dem grausamen High Fae jeden einzelnen Moment ihres Elends heimzuzahlen und mit ihren Geschwistern zu fliehen. Als sie gegen jede Wahrscheinlichkeit – und gegen alle Regeln – an den Hof des rivalisierenden Sonnenkönigs gelangt, scheint ihre Rache in greifbarer Nähe. Denn Lor wurde auserwählt mit neun anderen Tributen um die Hand des äußerst attraktiven Königs zu kämpfen und den Thron an seiner Seite zu erklimmen. Nur wenn ihr das gelingt, ist sie frei und kann ihre Familie retten. Doch um den Sonnenkönig für sich zu gewinnen, muss Lor erst einmal die tödlichen Wettkämpfe und intriganten Spiele am Hofe der Fae überleben.
»Trial of the Sun Queen« ist der erste Band der temporeichen Fantasy-Romance-Reihe »Die Artefakte von Ouranos« um mächtige Fae und eine schlagfertige menschliche Heldin.
Meine Meinung
Der erste Band der Fantasy-Reihe »Die Artefakte von Ouranos« spielt in zwei Königreichen von Ouranos: einmal in dem düsteren Land Aurora, das von einem grausamen König regiert und in dem Lor und ihre Geschwister gefangen gehalten werden. Zweitens spielt die Handlung im Reich des Sonnenkönigs, das hell und strahlend und in jeder Hinsicht das Gegenteil von Aurora zu sein scheint. Beide Herrscher sind Fae. Sie haben besondere Gaben, und sie leben im Gegensatz zu ihren Untertanen über Jahrhunderte.
Was diese Fantasy-Reihe aus der Masse von Romanen mit ähnlichem Inhalt heraushebt, ist der grandiose Stil der Autorin, der immer nah an seinen Figuren bleibt – namentlich der Ich-Erzählerin Lor. Sie ist eine Kämpferin, und die Liebe zu ihren Geschwistern geht ihr über alles, obwohl sie seit Jahren im schlimmsten Gefängnis des Königreichs Aurora leben muss: in Nastraza.
Die Leseprobe ist der Romanbeginn. Sie gibt euch nicht nur einen Eindruck von Lors Charakter, sondern auch von dem Ort, an dem sie über die Hälfte ihres Lebens verbringen musste.
Das Miststück hat meine Seife genommen. Ich durchwühle den kleinen hölzernen Schrank, der all meine Besitztümer enthält. Eine verschlissene Tunika. Ein Paar Socken. Einige zerfledderte Bücher, die ich so oft gelesen habe, dass sie praktisch nur noch Staub sind. Aber keine Seife.
»Ich bringe sie um«, murmle ich, während ich den Inhalt des Schranks auf meinem niedrigen Feldbett ausbreite. »Ich zerschneide ihr Gesicht. Ich werde sie vom Kopf bis zum Arsch ausnehmen. Ich werde –«
»Es ist nur ein Stück Seife, Lor.«
Ich halte mitten in der Bewegung inne und drehe mich zu Tristan um. Er lehnt an der Wand, die Arme überkreuzt und ein Bein vor das andere gestellt. Ein paar seiner schwarzen Haarsträhnen hängen ihm ins Gesicht, und ein kleines Lächeln umspielt seine Lippen.
Die Erinnerung an das, was ich für dieses eine Stück Seife getan habe, schießt mir durch den Kopf. Wenn ich mit der Zunge über die Rückseite meiner Zähne fahre, kann ich noch immer den Geschmack saurer Verwesung wahrnehmen, den Schweiß des Aufsehers und …
Denk nicht dran.
»Es ist nicht nur Seife«, zische ich. »Weißt du, was ich dafür ma…« Ich breche ab, als sein Lächeln verschwindet. …
»Was hast du gemacht? War es Kelava?«, fragt er.
Mein Blick fängt Willows auf. Sie sitzt auf ihrem Bett, das direkt neben meinem steht, und wir teilen einen Moment des gegenseitigen Verständnisses. Die großen dunklen Augen meiner Schwester sind erfüllt mit der gleichen dunklen Bürde, die sich in meinen widerspiegelt.
»Nichts«, sage ich. Das Letzte, was ich gerade brauche, ist ein Bruder, der versucht, meine Ehre beim Aufseher zu verteidigen.
Wozu Kelava mich genötigt hat, ist nichts Neues. Es war nicht das erste Mal, dass ich mir mein Überleben hier verdienen musste. Und wenn seine Forderungen mir ermöglichen, einen weiteren Tag in Nostraza zu überstehen, werde ich es wieder und wieder tun. Tristan meint es gut, aber manchmal vergisst er, was es kostet, hinter diesen erdrückenden Steinmauern zu leben.
Tulis Schreibstil und die beeindruckende Hauptfigur heben dieses Buch aus der Masse der Fantasy-Literatur heraus. Der Stil hat etwas Frisches, Unverbrauchtes und hat mich von Anfang bis Ende mitgerissen. Dazu tragen auch die vielen, gut gezeichneten Nebenfiguren bei, die klar rüberkommen: zum Beispiel Lors Wächter Gabriel oder ihre schärfste Konkurrentin Apricia.
Auch am Hof des Sonnenkönigs, an den Lor entführt wird, gibt sie sich kämpferisch. Dort muss sie in einem tödlichen Wettkampf gegen neun andere Tribute antreten, die alle die Frau des Sonnenkönigs werden wollen. Im Gegensatz zu ihnen, ist dieser Sieg für Lor nur Mittel zum Zweck. Sie will vor allem deshalb gewinnen, damit sie ihre Geschwister aus Nostraza befreien kann. Sie lässt sich weder durch den Luxus blenden, mit dem man sie überhäuft, noch vom Sonnenkönig, der sich besonders für sie zu interessieren scheint.
Dass die Handlung komplexer ist,als es zunächst scheint, stand für mich schon früh fest, denn es gibt eine zweite Perspektivfigur: Nadir, der Sohn des Aurora-Herrschers. Der Prinz des Königreichs ist ein interessanter Charakter: Er ist dunkel und faszinierend; es bleibt unklar, ob er sich als Lichtgestalt erweisen wird. Für ihn spricht, dass er den grausamen Regierungsstil seines Vaters abstoßend findet. Aber wäre er ein guter Herrscher? Wir werden erst im zweiten Band erfahren, welche Rolle er spielt und was genau ihn antreibt.
Trial of the Sun Queen gebe ich eine klare Leseempfehlung, jedoch nicht die volle Punktzahl, weil das Ende ein Manko enthält. Es ist spannend, geradezu grandios, und enthält mehrere überraschende Wendungen, von denen eine jedoch völlig unlogisch ist. Die Begründung bleibe ich euch schuldig, weil ich euch nicht die Spannung rauben möchte. Lest einfach selbst.
Fazit
Der wunderbare Auftakt der Fantasie-Reihe „Die Artefakte von Ouranos“ lässt mich Band 2 entgegenfiebern. Wieso Lor eine derart große Bedeutung für den Sonnenkönig hat, wird bereits im ersten Band angedeutet. Was vom Prinzen von Aurora zu halten ist, werden wir mit Sicherheit im zweiten Band erfahren.