Was macht einen guten Roman aus?
Die Besprechung von Büchern ist eine subjektive Angelegenheit, weil sich über Geschmack bekanntlich nicht streiten lässt. Trotzdem gibt es Maßstäbe, nach denen man/frau die Qualität von Romanen sinnvollerweise bewerten kann. Ich möchte das hier nicht zu wissenschaftlich angehen, weshalb ich mich auf vier Hauptkriterien beschränke. Sie sind eng miteinander verflochten, und sie bedingen und verstärken sich gegenseitig.
Auf diese Kriterien werde ich in meinen Rezensionen immer wieder zurückkommen, weshalb ich sie an dieser Stelle kurz erläutern möchte.
1. Der Plot
Der Plot ist der grobe Handlungsablauf einer Geschichte. Je nach Genre gestaltet er sich extrem unterschiedlich. In einem Liebesroman beschreibt der Plot die Anziehung, Hindernisse und Konflikte zwischen zwei Menschen, die sich lieben, und er beschreibt, ob sie am Ende zusammenkommen oder nicht. Bei einem Krimi geht es darum, wie genau ein Verbrechen aufgeklärt wird, und bei einem Thriller wird es nicht selten um Leben und Tod gehen.
Aber unabhängig vom Genre sollte der Plot für eine gewisse Spannung sorgen, in sich schlüssig sein und im besten Fall ein paar Überraschungen parat haben.
Wenn ein Plot hanebüchen oder überkonstruiert ist, finde ich das meistens nervend. Sebastian Fitzek, den ich für einen guten Autor halte, überstrapaziert in dieser Hinsicht in manchen seiner Romane meine Geduld.
Treiber des Plots sind die Heldinnen und Helden, die ihre Ziele verfolgen Ziele. In einem guten Plot stehen diese Ziele im Konflikt zu denen anderer Figuren, was für Spannung sorgt. Für mich ist es wichtig, dass ich die Handlungen der Figuren nachvollziehen kann, was aber schon zum zweiten Punkt führt: den Hauptfiguren.
2. Charaktere / Hauptfiguren
Romane stehen und fallen mit ihren Hauptfiguren. Interessieren sie uns? Können wir uns mit ihnen identifizieren? Empfinden wir mit ihnen mit? Sorgen wir uns um sie, weil wir uns wünschen, dass sie ihre Ziele erreichen? – Wenn wir diese Fragen mit JA beantworten, werden wir dem Roman eine Chance geben.
Im Idealfall zieht uns das Schicksal dieser Charaktere sofort in die Handlung hinein, und wenn wir die Figuren als echt und glaubwürdig empfinden, weil wir ihre Handlungsweisen verstehen und nachempfinden können, dann werden wir sie gerne bis zum Ende des Buches begleiten. Ist das nicht oder nur eingeschränkt der Fall, und die Akteure sind uns egal, dann wird uns auch ein spannender Plot kaum bei der Stange halten.
Helden müssen nicht unbedingt sympathisch sein . Roger Brown in Jo Nesbos Headhunter ist keine sonderlich sympathische Person; ebenso wenig wie Sam Spade in Dashiell Hammets Klassiker „Der Malteser Falke“. Wir können uns deshalb mit ihnen identifizieren, weil sie für die richtige Seite kämpfen.
In Young Adult-Romanen sind die Helden in aller Regel sympathisch. Wenn sie das nicht sind, dann klingt aber meistens an, dass sich das im Laufe der Handlung positiv verändern werden. Nur dann werden sich junge LeserInnen mit ihnen identifizieren. Im Hinblick auf jugendliche Charaktere bin ich in meiner Bewertung, was die Plausibilität ihres Verhaltens angeht, nicht ganz so streng, wie bei anderen Romanen. Vielleicht liegt es daran, dass ich mich gut an meine eigene Jugend erinnere und weiß, wie irrational und impulsiv ich manche Entscheidungen getroffen habe. Von daher lasse ich den jugendlichen Hauptfiguren einiges durchgehen, aber irgendwo muss auch deren Verhalten Sinn machen.
3. Sprache / Stil
Durch ihre Sprache setzen Autorinnen und Autoren ihre Ideen um. Gelingt es, einen gewaltbereiten, aggressiven Demonstranten ebenso glaubwürdig zu charakterisieren wie eine aalglatte Geschäftsfrau oder ein vierjähriges Kind, das ängstlich ist und sich im Wald verlaufen hat? Hier geht es um Stimmigkeit, Ausdruck, Atmosphäre und Glaubwürdigkeit der Protagonisten in der Situation, in die sie hineingeraten sind. Besonders schlimm finde ich es, wenn mir die Dialoge unnatürlich vorkommen. Das ist in jedem Roman und in allen Genres ein starkes Manko, das den Wert eines Buches enorm sinken lässt.
Beim Thriller erwarte ich, dass Sprache und Stil die Dramatik ausdrücken, die die handelnden Figuren empfinden. Oft ist sind es Gefühle wie Angst, Wut oder Hilflosigkeit, und das sollte dann auch deutlich werden: Zeitnot, Atemnot und blank liegende Nerven sind hier eher am Platz als lumständliche Dialoge, lange Handlungssequenzen oder langweilige Beschreibungen. Details, die die Atmosphäre oder die Befindlichkeiten der handelnden Personen einfangen, finde ich hingegen meistens gut, weil sie mich mit der Dramatik der Person vertraut machen.
Unabhängig von der Virtuosität, in der AutorInnen Sprache benutzen, um das darzustellen, haben sie in der Regel einen gewissen Stil, eine gewisse Art, Dinge anzupacken, was sich in hunderten von Facetten ausdrücken kann. Elizabeth Georges Romane beginnen meist sehr langsam, während es viele Thriller-AutorInnen gerade am Anfang gerne krachen lassen. Der Stil zeigt sich möglicherweise in einer humorvoll-distanzierten Erzählweise oder in bestimmten, immer wiederkehrenden Formulierungen. Er kann sich in einem bestimmten Gebrauch von Adjektiven, Methaphern, Figurenbeschreibungen etc. zeigen – oder in tausend anderen Facetten der menschlichen Sprache.
Als LeserInnen müssen wir das nicht benennen können. Für uns spielt, salopp gesagt nur eine Rolle, ob mir die Art und Weise, wie der Roman geschrieben ist, gefällt. Findet der Autor, die Autorin in unseren Augen die richtigen Worte, um den Inhalt des Buches rüberzubringen? Finden wir die Beschreibungen angemessen oder langatmig?
Wahrscheinlich ist der Stil das subjektivste aller Kriterien, denn es ist eine Geschmacksfrage, ob ich die langen, eleganten Sätze eines Thomas Mann mag oder den knappen schnörkellosen Schreibstil Hemingways.
4. Thema
Jeder gute Roman hat mindestens ein Thema, um das er kreist. Manchmal ist es so wichtig, dass man sich den Roman ohne das Thema gar nicht vorstellen kann. Man stelle sich zum Beispiel einen Roman über das Leben von Martin Luther King und dessen Kampf um die Gleichberechtigung von Schwarzen in den 50er und 60er Jahren in den USA vor. Einen solchen Roman kann man sich kaum ohne das Thema „Freiheitskampf“ vorstellen. In jedem Fall ist wichtig, wie mit dem Thema umgegangen wird. Wird es geschickt mit der Handlung verbunden, so dass wir kaum bemerken, dass wir über das Thema „Umweltzerstörung“ aufgeklärt werden, oder geschieht dies eher akademisch? Frank Schätzing neigt in einigen seiner Romane dazu, uns mit wissenschaftlichen Erkenntnissen ‚zuzutexten‘. Auch hier gilt, dass verschiedene LeserInnen, das möglicherweise unterschiedlich bewerten werden, je nachdem, wie sehr sie das Thema des Romans interessiert. Ich persönlich mag es, wenn in einem Roman Wissen vermittelt wird und wenn Themen behandelt werden, die mich zum Nachdenken anregen.
In Young Adult-Roman finde ich das Thema tendenziell wichtiger als in Erwachsenenromanen. Wann, wenn nicht in der Jugend, sollte ich versuchen, mir über wichtige gesellschaftliche usw. Themen eine Meinung zu bilden? Ebenso wichtig ist es natürlich, wie das Thema präsentiert wird.
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2 Antworten
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Ganz lieben Dank! 🙂❤️